Polizeiberuf darf Spaß machen

Sachsens Polizeichef Horst Kretzschmar im Presseclub Dresden

Noch keine hundert Tage im Amt als Landespolizeipräsident in Sachsen, folgte Horst Kretzschmar einer Einladung von Journalistin Bettina Klemm als Gast im Presseclub Dresden. Für die Dresdner kein Unbekannter, denn seit April 2016 stand Horst Kretzschmar an der Spitze der Polizeidirektion der Landeshauptstadt. Das war kein leichter Job. Allein 2018 mussten in der „Versammlungshochburg“ Dresden etwa 600 Veranstaltungen, von Fußballspielen über Striezel- und andere Märkte, linke und rechte Demonstrationen, Stadtteilfeste, Marathonläufe, Fahrradfest und Oldtimer-Parcours, Ski-Weltcup, bis hin zur Friedenskette am 13. Februar, zum Teil mit Großaufgeboten durch Polizeikräfte zum Schutz der mitunter konkurrierenden Teilnehmer und der unbeteiligten Bevölkerung abgesichert werden. Eine Mammutaufgabe.

Ob das denn Spaß mache, fragte Bettina Klemm. „Polizei darf Spaß machen“, antwortete Kretzschmar schmunzelnd und meinte damit das Berufsengagement der Ordnungshüter. Bei der Berufsausübung am Ort des Geschehens ist dann meist Schluss mit lustig. Das wichtigste am Polizeiberuf sei der Schlichtungswille der Streifenbeamten, die Kommunikation mit Streitparteien zum Beispiel bei einem lauten Familienfest, über das sich die Nachbarn beschweren.

„Diese Fähigkeit zu Ausgleich stiftender Kommunikation wird in der dreijährigen taktischen Ausbildung besonders geschult, in Zweier- oder Vierergruppen, um der gewaltbereiten Personen Herr zu werden“, erläutert Kretzschmar, „wir müssen der Bevölkerung Vertrauen in die Polizei vermitteln und damit einhergehend Vertrauen in den Staat.“

Bei Kriminaldelikten sei schnelles zielgerichtetes Handeln erforderlich. „Konflikte beheben ist unser Kerngeschäft“, sagt Kretzschmar und erinnert an seine Anfangsjahre in der DDR als bewaffnete Sowjetsoldaten desertierten und wieder eingefangen werden mussten oder an junge Algerier, die zum Austragen von Meinungsverschiedenheiten auch Messer benutzten. Letzteres sei „heute bei nach Deutschland einreisenden Jugendlichen ähnlich, welche einen Drang haben, sich verteidigen zu müssen“.

Smartphone, Cyberkriminalität, Flüchtlinge und der internationale Terrorismus hätten die Welt verändert und damit auch die Aufgabenfelder der sächsischen Polizei. Es gebe einen   bundesweiten Schlüssel für den Bedarf an Polizeibeamten pro 100.000 Einwohner. Derzeit hat Sachsen knapp 11.000 Vollzugsbeamte, wie es offiziell heißt. Mindestens 1.000 sollen hinzukommen. Deshalb werden jährlich rund 700 junge Anwärter eingestellt. Allerdings gehen jährlich auch 400 in den Ruhestand, zudem werden 350 Lehrkräfte benötigt, um die jungen Leute auszubilden. Im vergangenen Jahr wurde der absolute Tiefpunkt erreicht. Kretzschmar hofft, in den nächsten fünf Jahren sogar mehr als 12.000 Polizeibeamte zu haben.

Im Vergleich etwa zu Rheinland-Pfalz sei der Bedarf der sächsischen Polizei an studierten Elektronikern höher, weil das soziale Gefälle durch die Nachbarstaaten zu erhöhter Kriminalität auch auf diesem Gebiet führe. Die Kriminalbeamten müssten beispielsweise in der Lage sein, aufklärungsrelevante Daten aus zerstörten weggeworfenen Handys zu lesen.

Zusammen mit der Computerkriminalität sei ein Bedarf von zusätzlich über 100 Beamten erforderlich. Die gegenwärtige Diskussion um Urheberrechte im Internet werfe neue Probleme auf. Die Industrie entwickle immer neue Smartphones und Software und werfe sie auf den Markt. Dieser Geschwindigkeit könne die Polizei mit technischer Nachrüstung kaum folgen.

Allerdings seien 40 Prozent aller Kriminalfälle Diebstahldelikte. Der Markt der Hehler sei jedoch so undurchsichtig wie der Rauschgiftmarkt.

Ausdrücklich sprach sich der Polizeipräsident für ein gutes Miteinander von Polizei und Medien aus. Er betonte aber auch die Deutungshoheit, die sich die Polizei sichert. Dazu gehören die erste Information durch sie und das Nutzen sozialer Medien. „Polizei und Medien machen beide ihre Aufgaben.“ Kritik übte Horst Kretzschmar jedoch an Auseinandersetzungen von Fotoreportern mit der Polizei: „Warum müssen Pressefotografen mit ihren Objektiven den Beamten in Ausübung ihres polizeilichen Vollzuges einen Meter vor der Nase herumagieren? Wenn es brenzlig wird, wollen sie aber von den Beamten geschützt werden.“ Auf Anregung von  DJV-Geschäftsführer Michael Hiller soll der Dialog diesbezüglich fortgesetzt werden.

Die größte Schwierigkeit seien polarisierende Veranstaltungen meist radikaler Gruppen, wo jeder schon darauf wartet, dass es knallt. Fragwürdig sei, wie junge Menschen mit den Medien umgehen. „Die Funkzellenabfrage durch die Polizei geschieht immer auf richterliche Anordnung“, erklärt der sächsische Polizeipräsident Horst Kretzschmar, „die Polizei ist nur das ausführende Organ. Das macht die Polizei nicht aus Spaß, sondern um durch Datenvergleich Straftäter zu ermitteln.“

Text und Fotos: Roland Fröhlich