Ein Blick hinter die Mauern

Baywobau-Dresden-Chef Berndt Dietze stellt den Presseclubmitgliedern das Schlosseck vor.

Nur das Cäsarsches Haus an Schössergasse/Ecke Sporergasse ist derzeit noch eingehüllt. Jenes spätbarocke Wohnhaus von 1781 wurde bei den Bombenangriffen auf die Stadt 1945 zerstört. Im Baywobau-Projekt Schlosseck wird es als ein sogenannter Leitbau weitgehend originalgetreu wiedererrichtet. Neben den Fassaden an der Sporer- und der Schössergasse bekommt das Haus auch sein ursprüngliches Eingangsportal und die Hauptgrundrissstruktur zurück. Als Highlight wird zudem das Originalportal des ehemaligen „Hotel de Pologne“ eingebaut. Bereits in ihrer Schönheit sind hingegen die drei rekonstruierten Leitfassaden an der Schloßstraße 26, 28 und 30 zu bewundern. 

Baywobau-Dresden-Chef Berndt Dietze und seine Projektverantwortliche Andrea Strümpel ließen die Mitglieder des Presseclubs Dresden erste Einblicke gewinnen. Ohne die Baywobau Dresden und ohne ihren Chef Berndt Dietze gebe es wohl den Neumarkt in der heutigen Form nicht, erklärte Vorstandsmitglied Bettina Klemm einleitend. 2004 öffnete die zentrale Tiefgarage unter dem Platz machte so das gesamte Vorhaben erst möglich, 2006 folgte das Hotel de Saxe, zwei Jahre später war das als „Juwel an der Frauenkirche“ bekannte Areal fertig. Dann baute die Baywobau das kleine Wohngebiet „Löwenhof“ und den hinteren Teil der Schloßstraße.

Doch von Routine bei diesem Quartier VII/1 ist keine Spur zu spüren. Bis zur Vollendung der Schloßstraße sind rund zehn Jahre Planungen, zahlreiche Hindernisse und Rückschläge vorausgegangen. Die entsprechenden Unterlagen füllen Regale voller Leitzordner. Und selbst als im Sommer 2018 endlich die Baugenehmigung vorlag, hatten die Probleme kein Ende: Hin und wieder finden im Kulturpalast Konzerte statt, bei denen reichlich Technik noch nachts abgefahren werden muss. Das sorgt für Lärm, der aufgrund entsprechender Verordnungen an Ort und Stelle gemessen wird. Selbst noch so gute Lärmschutzfenster können da nichts ausrichten. Also musste eine Einhausung unmittelbar am Kulturpalast gebaut werden.

Inzwischen ist diese fast fertig. Dietze lobt ausdrücklich die KID und deren Chef Axel Walther, der diese Aufgabe schließlich übernommen hat. Die Kosten mussten jedoch die Baywobau und zwei weitere angrenzende Neumarkt-Eigentümer übernehmen. 2019 konnte Dietze dann endlich den Vertrag mit der ausführenden Firma Dreßler-Bau abschließen.

Doch zurück zum Schlosseck. Vom Altmarkt kommend stößt der Betrachter auf ein helles Gebäude. „Hier war ein historischer Wiederaufbau nicht möglich“, sagt Dietze. So hatte er sechs Büros mit Entwürfen beauftragt. „Am Ende haben wir aus zwei eins gemacht.“ Die Baywobau setzte die Fassadenentwürfe der Dresdner Architekten Martin Richter und Thomas Knerer an diesem Haus um. Auf der Seite an der Sporergasse fällt eine moderne Fassade auf. Das Haus wurde von der IPRO Dresden entworfen. Der Künstler Michael Freudenberg hat dafür fenstergroße farbige Flächen mit geschwungenen Linien gestaltet. „So wollten wir eine Klammer zwischen dem Barock- und dem Renaissance-Haus schaffen“, erläutert er.

Für größere Aufmerksamkeit sorgen allerding die historischen Fassaden an der Schloßstraße. Die Hausnummer 30 ist besser als das Fürstliche (zuweilen auch Kurfürstliche) Haus bekannt. Das nur knapp sechs Meter breite Haus ist um 1500 entstanden und zählt zu den schönsten am Dresdner Neumarkt. 1609 erhielt es beim Umbau das untere Erkerteil mit einem Relief, auf dem Kurfürsten Christian II. mit Harnisch und Kurschwert sowie seine Frau Hedwig von Dänemark abgebildet sind. „Die nach dem Krieg geborgenen Originalteile befinden sich im Stadtmuseum. Wir konnten davon Silikonabdrücke als Vorlage für unserer Erker machen lassen“, erklärt Andrea Strümpel.

Im Inneren wird derzeit überall gebaut. Dabei gilt es die Anforderungen künftiger Mieter zu beachten. So zählen künftig zwei Fachärzte für Plastische Chirurgie zu den Hauptmietern. Deren Schönheitspraxis mit Operationssälen erstreckt sich auf knapp 1.000 Quadratmeter über mehrere Häuser und erfordert bestimmte Anforderungen hinsichtlich der Lüftung und Hygiene. Ein weiterer Hauptmieter ist ein medizinisches Forschungsunternehmen. Ins Erdgeschoss zieht der Gastronom Heiko Meyer ein, der bereits den Altmarktkeller bewirtschaftet. Noch vor Weihnachten, so rechnet Berndt Dietze, wird er wahrscheinlich sein Restaurant eröffnen. Die Büroflächen im Komplex sind alle vermietet, drei von sieben Läden warten noch auf ihre Mieter. Einen großen Eckladen wird der Schokoladenspezialist „Lindt“ einrichten. Mit besonderen Events und einem zusätzlichen Kuchenangebot will er die Besucher zum Verweilen animieren.

46 Zwei- bis Fünf-Zimmer-Wohnungen befinden sich in den oberen Etagen. Im sechsten Obergeschoss wurden Maisonette-Wohnungen geschaffen. Von der Dachterrasse im siebenten Geschoss haben die Mieter einen besonders schönen Blick auf die Innenstadt. Die Baywobau möchte die Wohnungen für Kaltmieten zwischen 14 und 15,50 Euro pro Quadratmeter vermieten. Den Bewohnern steht eine zweigeschossige Tiefgarage zur Verfügung.

Noch braucht es etwas Fantasie, um sich den mit Dachbegrünung und Hochbeeten gestalteten Innenhof als eine Art Ruhepol für die Bewohner vorzustellen. Historische Fotos bringen künftig den Besuchern schon bei der Fahrt mit dem Aufzug die Geschichte der Schloßstraße näher. Zudem soll ein Renaissance-Relief in einer Nische in einem Innenhof angebracht werden.

Zum Jahresende will Berndt Dietze das Schlosseck fertig übergeben. Rund 55 Millionen Euro hat dann die Baywobau dafür investiert.

Für die Mitglieder unseres Presseclubs war es ein sehr interessanter Rundgang, der mit einem Glas Wein am Neumarkt endete. Der Baywobau vielen Dank.

Text: Bettina Klemm
Fotos: Maria Grahl