Optimistisch ausgedrückt, leben wir in interessanten Zeiten.
Nüchtern betrachtet erleben wir besonders im Osten eine kritische Phase. Europa- und Kommunalwahlen haben einen Vorgeschmack für die Landtagswahlen geliefert.
Politisches Missbehagen sowie echte oder nur vermutete politische Fehler paaren sich mit höchst individuellem privatem Unmut zu einer Mischung, die das Land politisch und gesellschaftlich spalten kann, wie es keinem gefallen kann – außer denen, die das von den extremen Rändern in die Mitte hinein befeuern und jenen, die glauben, mit Kopien davon politische Geländegewinne zu machen.
Zugleich erleben wir eine schwindende Presse-Vielfalt in Sachsen, die mit der Übernahme der SZ durch die Madsack-Gruppe eine bis dato ungekannte Eigentümerkonzentration erfährt.
Womöglich gab es dazu keine Alternative, oder keine, die sich angesichts schwindender Abo-Zahlen und fehlender Zahlungsbereitschaft für journalistische Inhalte wirtschaftlich hätte darstellen lassen.
Journalistenjobs fallen weg. Redaktionen werden zusammengelegt. Womöglich gibt es irgendwann weiße Flecken auf der Landkarte, in denen keine lokale Berichterstattung mehr stattfindet.
Die Folgen davon lassen sich in den USA besichtigen, in denen Fake-News und Propaganda, Hass und Hetze verifizierbare Informationen für viele ersetzen und die Verhältnisse auf eine Weise verändert haben, die am Ende demokratiegefährdend sein kann.
Das Verschwinden einer freien Presse würde auch hierzulande das Recht, die Freiheit und die pluralistische Demokratie in Bedrängnis bringen. Auch wenn die Kapelle bis zum Untergang spielt.
Ich habe mit dem Aufkommen von Pegida vor fast zehn Jahren für mich einen Satz geprägt, den ich bis heute für gültig halte: Bitte stören Sie mein Weltbild nicht mit Fakten.
Dieses Phänomen ist inzwischen in jeder sozialen Schicht und jeder Bildungsgruppe präsent und dürfte inzwischen mit wahlentscheidend sein.
Man glaubt zwar einer vielgestaltigen Presse ebenso wenig, wie man auch Politikern oder Vertretern jeglicher Institutionen nichts mehr glaubt.
Aber man glaubt aggressivsten Populismus und quellen- und faktenfreiem Geraune und Gepöbel in sozialen Netzwerken nur allzu bereitwillig, solange es zum eigenen Weltbild passt.
Ob Migration, Klimawandel, Wirtschafts- oder Sozialpolitik – die Themen sind dabei völlig egal.
Hetze in dieser Parallelöffentlichkeit wirkt sich auch ganz undigital aus – mit Gewalt gegen Journalisten und wahlkämpfende Politiker, mit Einschüchterungsversuchen und Drohungen bis in die kleinste kommunalpolitische Verästelung und den privatesten Bereich. Dass nun ein Landrat wegen dieses Szenarios zurücktrat, ist eine bemerkenswerte Tatsache.
Das erleben vor allem ehrenamtliche Kommunalpolitiker, aber auch Journalisten seit der Flüchtlingswelle von 2015, ohne dass es bisher Instrumente dagegen gegeben hätte oder ein länger anhaltendes lösungsorientiertes Interesse daran.
Viele blicken nun in Sachsen mit Sorgen nach dem EU-Wahlbeben auf die Landtagswahl.
Auch Unternehmen, die auf auswärtige Fachkräfte angewiesen sind und sich um den Ruf ihrer Heimat sorgen und um deren brüchiges, nicht immer sehr freundliches Antlitz. Nicht ganz unbegründet.
Rechts zu sein, extremistisch zu wählen ist anscheinend in Sachsen so normal wie manchenorts während der Baseballschlägerjahre der frühen 90er.
Das man damit am eigenen Ast sägt, spielt wie bei der Brexit-Entscheidung der Briten kaum eine Rolle. Gefühle dominieren Tatsachen, das Weltbild triumphiert über die auch globale Realität.
Einige Parteien und Politiker – das erlaube ich mir als Ostdeutscher zu sagen – bedienen vermeintliche Ost-Narrative, die es so vor allem mit Blick auf Russland nie gab. Sie sprechen Menschen an, die der Unfreiheit und Diktatur in Russland und einer vermeintlichen DDR-Heimeligkeit mehr Zuneigung und Verständnis entgegenbringen als den Komplexitäten von Freiheit und Demokratie und ignorieren darüber die Mehrheit.
Wir werden Zeugen einer konstruierten, verfälschten Geschichtsschreibung, weil diese so gut zum Weltbild nicht weniger oder deren privater Seelenlage passt.
Diese Gesellschaft verlernt das „miteinander sprechen“. Stattdessen ist Sprache zur Waffe geworden, um vermeintliche Minderheiten, vermeintlich Fremde, Andere und Andersdenkende einzuschüchtern, zu diffamieren und mit Lautstärke zum Schweigen zu bringen.
Die das tun, klagen gleichzeitig über eine angeblich beschnittene Meinungsfreiheit, ohne zu erkennen, dass diese Freiheit nicht von Kritik oder Gegenrede befreit.
Von hasstriefenden Rändern reicht die Verrohung inzwischen bis in die so genannte bürgerliche Mitte, – und als Sachse erlaube ich mir zu sagen – an deren Bürgerlichkeit hier im Freistaat oft mehr Zweifel angebracht sind als andernorts.
Miteinander sprechen, sich auf den anderen einlassen, ohne demokratische Leitplanken zu vergessen, deutlich zu widersprechen, wo diese verletzt oder abgeräumt werden, dürfte das Gebot der Stunde sein.
Lassen Sie uns also hier und heute diesen Sommerschwatz nutzen: Kommen wir ins Gespräch. — Vielen Dank!
WEITERFÜHRENDE LINKS & BERICHTERSTATTUNG:
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Nadja Laske für die Sächsische Zeitung vom 6. August:
Plauderei und Politisches beim Sommerschwatz des Dresdner Presseclubs
Katrin Koch für die Dresdner Morgenpost/TAG24 vom 6. August:
Polit-Prominenz beim „SommerSchwatz“ in Dresden!