„Was können wir als Redaktion tun, um eine Zeitung zu machen, welche die Leute interessiert?“ Diese Gretchenfrage beschäftigt seit 2011 Denni Klein, langjähriger Redakteur der Sächsischen Zeitung. Auf Einladung von Heike Großmann, Vorstandsmitglied und stellvertretende Presseamtsleiterin der Landeshauptstadt Dresden, referierte Denni Klein im Presseclub Dresden über das SZ-Projekt ‚Lesewert‘ – eine spannende Geschichte. Worauf legt der Leser beim Lesen Wert? Seit zwei Jahren sind gestaffelt jeweils 300 von der SZ technisch bestens mit Scan-Stift und Minicomputer ausgestattete Leser in drei SZ-Stadtteilausgaben dabei, ihre Lesegewohnheiten anonymisiert zu dokumentieren, insgesamt bisher 1500 werte Leser.
Zwei Jahre Entwicklungszeit benötigte das Projekt, inklusive Hard- und Software. Drei Kategorien unterstützen die Katalogisierung der einzelnen Artikel nach Prozent der ‚Einschaltquote‘. Der Blickwert zeigt, wieviele Leser den Artikel wahrgenommen haben. Der Durchlesewert beziffert den Durchschnitt des Gelesenen. Der Lesewert endlich valuiert die Attraktivität eines Artikels. Dabei lernen die Blattmacher, welche Themen die Leser besonders interessieren.
„Gagfa geht in Dresden immer“, verkündet Denni Klein schmunzelnd, „auch Neumarkt und Waldschlößchenbrücke, mit einem Durchlesewert von 98,39 Prozent. “ Blaulicht-Berichte (50%), Berichte über Straßenbahnbau und ‚Alte Dorfkerne‘ (etwa 45%), Bäcker-Geschichten (40%). Über Rotlicht-Berichte machte Klein keine Angaben. Kultur landet bei nur 30 Prozent! Immerhin schaffte die Serie über die Münchner Gurlitt-Bilder den phänomenalen Lesewert-Aufstieg von 32 auf 64 Prozent.
Die gewonnen Lesewerte sind entweder Stoff für sofortige Auswertung in der Redaktion, mittelfristig für Veränderungen bei Redakteuren, die dann je nach Begabung, zum Beispiel für Kommentar, Bericht, Interview oder Recherche gezielter eingesetzt werden können, sowie für mögliche Veränderungen am Blatt, Themenausbau oder –abwahl, Gewichtung, strategische Textanalyse, Redakteurschulung. Langfristig fließen diese Erkenntnisse in die Auswahl von Themen und zur Beobachtung von Trends. „Wir sehen auch, was nicht funktioniert“, bestätigt Denni Klein, „aber wir können nur messen, was schon in der Zeitung gestanden hat.“
Demografisch habe sich seit der Wende das Abo-Wesen durch die Veränderung von Lebensumständen wesentlich verschoben. „Die Verlage“, kritisiert Denni Klein, „haben bisher ihre Gewinne nicht in die Qualitätsförderung der Zeitungen gesteckt, sondern eher abgebaut.“ Inzwischen ‚exportiert‘ Denni Klein das Projekt ‚Lesewert‘ auch an die Thüringer Landeszeitung und die Thüringer Allgemeine. Auch dort wird ein Lesewert-Coach tätig. „Es bleibt immer die Aufgabe des Journalisten, was und wie etwas ins Blatt kommt.“
Text und Foto: Roland Fröhlich