Einmal als Pilot im Cockpit sitzen

Mitglieder des Presseclub Dresden testen Flugsimulator

Pilotin Petra Gehlich

Pilotin Petra Gehlich

„Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“, sang einst Reinhard May. Einen Abglanz dieser Freiheit holten sich Mitglieder des Presseclubs beim Flugsimulatoren-Bauer MPS-Electronics GmbH. Das Kürzel steht für Multi Pilot Simulations und meint, dass in den angebotenen Simulatoren wie im richtigen Cockpit-Leben auch beim Training zwei Piloten Platz finden. Am Sitz des Unternehmens in der Lohrmannstraße 20 in Reick betreibt das mit MPS verbundene Unternehmen Flight Simulations Dresden (FSD) den sachsenweit einzigen originalgetreu nachgebauten und zertifizierten Simulator eines Airbus A320. Aus dem Cockpit gucken die Piloten auf den Schirm des Projection Dome, der das Sichtfeld des Piloten exakt so abbildet wie in der Realität – ein himmlischer Flughorizont aus der Vogelperspektive.

Vor dem Test des Simulators durch den Presseclub gab Geschäftsführer und Tüftler Steffen Herberg im Gespräch mit Clubvorstandsmitglied und SZ-Redakteur Tobias Wolf einen Einblick ins irdische Geschäft. Herberg konstruierte aus einer Festanstellung heraus seinen Traum vom „Fliegen“ selbst, gründete ein Unternehmen, dass er heute als Geschäftsführer für das Mutterunternehmen MTS Holland aus Utrecht leitet. Mit neun Mitarbeitern baut er am Standort Dresden-Reick komplette elektronische Panels für die Simulator-Cockpits – ausgestattet mit Schaltern, Lampen und Bildschirmen wie im Original- für die Typen Airbus A320 und Boeing 737. „Das sind die Arbeitstiere der Luftfahrt, die meistverkauften Flugzeugmodelle der Welt“, sagt der 46-Jähige. „Die technischen Vorgaben für unsere Nachbauten bekommen wir vom Hersteller.“ Herbergs Unternehmen ist in Dresden allenfalls Pilotenschülern und Simulator-Fans bekannt. Seine Kunden sind über den ganzen Globus verstreut. Der letzte große Auftrag kam jüngst von der Billigfluglinie Ryan Air und sichert die Arbeitsplätze bei MPS für Jahre.

Umgekehrt landet die Welt in Dresden. Angehende A320-Piloten kommen aus der ganzen Welt – von Taiwan bis Las Vegas – zu Trainingsstunden in das unscheinbare Bürogebäude an der Lohrmannstraße. Dort machen sie sich vertraut mit der Steuerung und dem System der tausend Lämpchen und Schaltern vor, über und neben sich. Jede Piloten-Lizenz gelte immer nur für den Flugzeugtyp, den der Pilot trainiert hat und gerade fliegen darf, erklärt Herberg. Für jedes Modell sind deshalb spezifische Simulatoren über nahezu den ganzen Erdball verteilt. Allein in Frankfurt am Main stehen laut Herberg 17 verschiedene Flug-Simulatoren. Eine Anlage kann je nach Ausstattung bis zu über einer Million Euro kosten. Im Vergleich zum Kaufpreis von etwa 350 Millionen Euro für einen Airbus 380 ist das ein Schnäppchen.

Für interessierte Hobby-Piloten bietet FSD einen 30minütigen Schnupperkurs mit kurzer Einführung für 75 Euro an, die volle Stunde mit Start, Luftmanövern und Anflug auf einen internationalen Flughafen für 139 Euro. Eine zwölfköpfige Familie könnte in Cockpit und der ebenfalls originalgetreu nachgebauten Economy-Class „mitfliegen“, Bordservice auf Wunsch eingeschlossen, aber Abstürze ausgeschlossen.

Steffen Herberg, bis 2008 System-Ingenieur bei Quimonda, hatte früher eigentlich Flugangst. Dann musste er mit nach Mallorca fliegen, überstand die Reise und wollte fortan wissen, was da eigentlich so passiert im Cockpit. Die Idee für den ersten eigenen Flugsimulator war geboren, damals noch ein 386er PC, ein simpler 13-Zoll-Röhrenmonitor und eine Dekowand, die nach Boeing-Cockpit aussah. Dann reichte ihm die Originalsoftware nicht mehr und er begann, zu programmieren. Noch angestellt, bekam er seinen ersten Auftrag. Er soll Software programmieren für einen neuen Großsimulator. Dann gründet er das Unternehmen, wird damit Teil der holländischen Muttergesellschaft und kann so sein innovatives Konzept weiter verbessern – praktisch ohne Konkurrenz auf dem Weltmarkt. Herbergs Erfolgsrezept: „Wir verwenden für die Simulatoren nur dort teure Originalteile von Airbus oder Boeing, wo der Pilot hin fassen muss. Die Haptik ist wichtig für ein realitätsnahes Training. Alles andere bauen wir selber.“ Die Originalcockpits schneidet er aus Flugzeugrümpfen vom Schrottplatz raus. Innerhalb von fünf Monaten mühsamer Kleinarbeit entsteht daraus ein Piloten-Trainingsplatz, der den hohen Ansprüchen von Flugschulen und Airlines entspricht.

1 Steffen Herberg, Tobias Wolf

Steffen Herberg im Gespräch mit Tobias Wolf

 

 

 

 

 

 

 

 

Text und Fotos: Roland Fröhlich