Dresden besitzt keine Kultur des Ausprobierens

FDP-Chef Holger Zastrow im Presseclub

Verwaltung ist notwendig, Bürokratie ist hinderlich. So könnte die Quintessenz der Diskussion zwischen dem FDP-Spitzenkandidat zur Landtagswahl, Holger Zastrow, und Clubchef Andreas Weller (SZ) im Presseclub Dresden lauten. Dem Politik-Pragmatiker Zastrow wiehert der Amtsschimmel meist zu laut, ohne den Karren zeitnah aus dem Dreck zu ziehen.

„Das Vertrauen der Menschen in die Politik ist gesunken“, konstatiert der gebürtige Dresdner. „Wir brauchen 14 Jahre, um einen vom Stadtrat beschlossenen Radweg zu bauen“ echauffiert sich Holger Zastrow, „das geht am Bedarf für die Menschen vorbei.“ Der Elberadweg müsste jetzt dringend verbreitert werden, damit die Radler, Kinderwagen, Rollerskates und Fußgänger gefahrlos aneinander vorbeifahren können.

„Das werde ich aber nicht mehr erleben“, ironisiert Zastrow, der vor kurzem seinen 50. Geburtstag feierte. Die Fortschreibung des Verkehrsentwicklungsplanes habe gezeigt, dass der Radverkehr in Dresden nicht wesentlich zugenommen habe. Nun werde in der Albertstraße der Ausbau von Radwegen gefordert unter Verzicht auf eine Autospur.

„Rechts und links der Albertstraße sind megabreite Fußwege, die keiner braucht, also ist so viel Platz für Radwege in beiden Richtungen“, argumentiert Zastrow, „da muss man keine Fahrspur opfern, um durch zusätzliche Staus am Albertplatz in allen Himmelsrichtungen den Berufsverkehr zu behindern. Die Koalition Rot-Rot-Grün hat die großen Verkehrsprobleme der Landeshauptstadt innerhalb von fünf Jahren überhaupt nicht in Angriff genommen.“

Die Bürokratie sei zu schwerfällig. Planungen oft zu langsam, Genehmigungen zu pingelig, mit schwer erfüllbaren Auflagen verbunden und die Gängelung durch Verordnungen und Vorschriften raumgreifend. Selbst die Kommunen hätten keine echte Selbstverwaltung mehr, sondern würden staatlicherseits gegängelt. Es passiere oft, dass Projekte zwar geplant und ausgeschrieben, aber dann nicht ausgeführt würden.

Was die Politik nicht leisten kann, müsse durch Bürgerentscheide herbeigeführt werden.

„Ich bin ein großer Fan der Schweizer Modells. Dort entscheiden im Zweifelsfalle die Bürger als Eidgenossen. Das ist gelebte Demokratie.“

Die CDU sei selbst schuld, dass die AfD so groß geworden ist. „Wenn man Jahre lang die Augen vor politischen Problemen verschließt, kommt sowas dabei raus,“ kommentiert Zastrow, der zehn Jahre für seine Partei sächsischer Landtagsabgeordneter war und seit 15 Jahren Stadtrat in Dresden ist. Die AfD mache aus anstehenden Problemen noch größere Probleme. Die FDP wolle die Probleme praktisch lösen, zum Wohle der Allgemeinheit.

„Ich will nicht zuschauen, was zwischen CDU und AfD ausgehandelt wird, sondern eigene Angebote machen und sehen, dass es vorangeht.“

Der sächsische Ministerpräsident stehe vor der misslichen Aufgabe, dass er die politische Entwicklung, welche die CDU mit herbeigeführt habe, nun mit Diskussionsreisen durch Sachsen revidieren wolle. Aber für die Bürger passiere nichts.

Wer als Organisator in der Landeshauptstadt etwas ausprobieren wolle, habe sich die falsche Stadt gewählt. „Die Kultur des Ausprobierens ist in Dresden verschüttgegangen“. Holger Zastrow spricht als Weihnachtsmarktorganisator aus eigener Erfahrung. Die Weihnachtsmärkte seien ein pures Risiko. Deshalb gebe es wenige, die sich das antun wollen. Beispiel: Für die Betriebsverlängerung der Eisbahn am Weihnachtsmarkt in der Hauptstraße über das Marktende des 23. Dezember hinaus, hätten die Betreiber gemäß der Marktordnung die Eisbahn termingerecht abbauen müssen und am nächsten Tag wiederaufbauen dürfen. Quasi als Hobby will Zastrow auch die Hofewiese in der Dresdner Heide, „den Sehnsuchtsort für Wanderer“, ohne Fördermittel und Kredite wieder zu neuem Leben erwecken.

Holger Zastrow schlägt auch selbstkritische Töne an und meint, seine Partei sei oft zu rational ausgerichtet. Da bleibe wenig Freizeit für Privates, Idyllisches, Gemütliches. „Das ist der große Preis, wenn man viele Unternehmungen macht.“

Text und Foto: Roland Fröhlich