Wir wollten uns nicht wegbügeln lassen

Bürgerfraktionschef Christian Bösl im Presseclub Dresden

Der gleichzeitige Austritt von drei Stadträten aus der SPD-Fraktion im November vergangenen Jahres hatte viel Staub aufgewirbelt. Die fraktionsverdrossenen Stadträte Peter Bartels, Thomas Blümel, Christian Bösl, gründeten inzwischen zusammen mit dem fraktionslosen Jan Kaboth eine eigene Bürgerfraktion. Dadurch verlor die Allianz Rot-Grün-Rot die parlamentarische Mehrheit.

Im Presseclub Dresden wurde der Bürgerfraktion-Vorsitzende, Dr. Christian Bösl, von Clubchef Andreas Weller zu den Hintergründen des Austritts und Zielen der Bürgerfraktion befragt.

Begonnen hatte alles mit dem Wechsel von Fraktionsvorsitzenden Christian Avenarius zum Leiter des sächsischen Verbindungsbüros bei der EU nach Brüssel, erläuterte Christian Bösl. Die im April 2018 gewählte SPD-Fraktionsvorsitzende Dana Frohwieser habe schon bei ihrem Amtsantritt einen Wechsel im Kommunikationsmodus verkündet: Innerhalb der SPD-Fraktion wollte sie mit einer starken Stimme sprechen. Zuvor hätte Avenarius in der SPD-Fraktion ein zielführendes Klima kommunikativer Integration geschaffen. Das wollten die drei Stadträte unbedingt weiterhin erhalten, beteuert Bösl, seien damit aber auf Ablehnung gestoßen, was schließlich zum Parteiaustritt führte: „Wir wollten uns nicht wegbügeln lassen. Wir wollen, daß im Stadtrat wieder miteinander geredet wird, auf Augenhöhe.“

Die vier politischen „Musketiere“ hätten bei Gründung der Bürgerfraktion nicht beabsichtigt, daß jetzt auf einmal alle mit ihnen reden wollen, nur, weil sie das entscheidende Zünglein an der Waage zur Mehrheitsfindung sind. Wichtiger sei die Sachdiskussion. Die ganze Debatte über die Einrichtung von Radwegen auf der Albertstraße, erbost sich der Pragmatiker Christian Bösl, hätte man in einer halben Stunde durchziehen können. Aber in der Vorbereitung auf die Kommunalwahlen sei eine Riesendiskussion von profilierungswilligen Stadträten entstanden. „Wenn wir rechts und links der Albertstraße genügend Freiraum für Radwege haben“, argumentiert Bösl, „müssen wir keine Auto-Fahrspur für Radwege schließen.“ Gleichwohl sei der weitere Ausbau des Radwegenetzes in der Stadt notwendig. Anderes Beispiel: Das Krankenhaus Friedrichstadt müsse eine städtische Einrichtung bleiben und die betreffenden Gebäude saniert werden, fordert die Bürgerfraktion. Für diese Entscheidungsfindungen müssten die Stadträte von der Stadtverwaltung frühzeitig informiert werden und nicht erst durch vorliegende Ausschreibungen von Baumaßnahmen erfahren, was beabsichtigt sei. „Wir müssen über die Probleme und Erfordernisse parteiübergreifend miteinander reden!“ betonte Christian Bösl mehrfach, „und nicht nur mit starker Stimme die jeweiligen Parteiprogramme proklamieren.“

Im Übrigen sei es bei der SPD üblich gewesen, daß die Arbeitsverträge der im Fraktionsbüro Beschäftigten über die Legislaturperiode hinaus gelten, sofern sie sich bewährt hätten. Jetzt würden die drei Damen drei Monate vor der Wahl arbeitslos und müssten sich nach der Wahl wieder neu bewerben. Das sei nicht im Sinne sozialdemokratischer Wertauffassung.

Christian Bösl (44) ist mit einer Dresdnerin verheiratet und hat zwei Kinder.

Text und Fotos: Roland Fröhlich