Ein schweres erstes Jahr

TU-Rektorin Prof. Ursula Staudinger zu Gast im Presseclub

Prof. Staudinger im Gespräch mit Andreas Weller (Vorstandsvorsitzender des Presseclub Dresden)

Ein erstes Jahr unter Corona-Bedingungen – so hatte sich Prof. Ursula Maria Staudinger ihren Start nicht vorgestellt, das gibt die sympathische Frau gern zu. Im März 2020 war sie zur Rektorin der Technischen Universität Dresden gewählt worden. Fünf Monate später trat sie die Nachfolge von Prof. Hans Müller-Steinhagen an. Doch schon kurz danach galt es bereits mit strengen Corona-Regeln umzugehen.

Prof. Ursula Staudinger arbeitete an der Columbia University in New York und hatte dort ein Institut für Altersforschung aufgebaut, als sie ein Headhunter ansprach. Sentimentale Gefühle seien da hochgekommen, schließlich hatte Ursula Staudinger von 1999 bis 2003 ihre erste Professur an der TU Dresden inne, erzählt sie im Presseclub Dresden im Gespräch mit dem Vorsitzenden Andreas Weller. Parallel hat sie auch einen Ruf nach Bonn und Halle erhalten. Die TU Dresden, die als Exzellenzuniversität eine fantastische Entwicklung genommen hat, reizte sie. 

„Mir war aber schnell klar, dass das Rektorat neu aufgestellt werden musste, um all die Anforderungen zu schaffen.“ So bildete sie als eine ihrer ersten Amtshandlungen ein neues Prorektorat für Universitätskultur, dessen Aufgabe es ist, auf der Grundlage des Leitbilds der TU Dresden und der Strategie 2028 alle Aktivitäten zu bündeln und zu aktivieren. Das Prorektorat wird von Prof. Roswitha Böhm geleitet. Prorektorin Forschung wurde Prof. Angela Rösen-Wolff und Prorektor für Bildung Prof. Michael Kobel. Dr. Andreas Handschuh ist seit Anfang 2016 Kanzler der TU Dresden. Gern hätte sie Rektorin drei weitere Prorektorenposten geschaffen. Weil das aber laut Gesetz nicht möglich ist, gibt es nun im erweiterten Rektorat drei Chief Officer: Prof. Lars Bernard ist für Digitalisierung und Informationsmanagement, Marion Schmidt für Kommunikation und Prof. Ronald Tetzlaff für Technologietransfer und Internationalisierung zuständig. Sie alle sitzen mit am Tisch. „Wir können noch viel mehr herausholen“, sagt die Rektorin. Marion Schmidt begleitete die Rektorin zum Presseclubabend.

Frau Prof. Staudinger will sich nicht auf den Erfolgen der Exzellenz-Universität ausruhen, sondern setzt darauf, mit den Leistungen zu überzeugen und die bisherigen Cluster nicht nur zu halten, sondern ausbauen zu können. Im nächsten Jahr könnte es einen neuen Studiengang „Biotechnologie und Medizin“ geben. Zukunftsthemen wie Biodiversität sowie die Nutzung moderner Ingenieurkunst für die Medizin von morgen gewinnen an Bedeutung. Schon ab Herbst wird es an der TU Dresden eine dreieinhalbjährige Ausbildung im Fach Hebammenkunde geben. Dazu wurde in Dresden eigens ein Zentrum für Hebammenwissenschaften ins Leben gerufen.

17 Prozent der Studierenden kommen aus dem Ausland. „Derzeit haben wir die historische Chance, Studierende, die sonst in die USA gehen würden, für Europa zu gewinnen“, schätzt sie ein. Die TU setze sich für ein weltoffenes Dresden ein. „Als gesellschaftliche Akteure bekennen wir Farbe. Es ist mir ein großes Anliegen, nicht in einer Sprachlosigkeit zu verharren.“ Hat sie Pegida und Co abgeschreckt? „Nein, das war eher ein Punkt, um sich für Dresden zu entscheiden.“

Auch das Zwischenmenschliche spielt für die studierte Psychologin eine besondere Rolle. Deutlich sprach sich Prof. Staudinger für Transparenz, Respekt und Wertschätzung aus. Um die Schwelle für Kritik zu senken, gibt es eine Plattform, auf der man relativ lange anonym korrespondieren und Missstände aufzeigen könne. „Schwarze Schafe“ seien jedoch nie gänzlich auszuschließen, wie der Fall des Dresdner Professors Hans-Ulrich Wittchen offenbart. Zwei Jahre lang wurden Vorwürfe gegen ihn wie vorsätzlicher Betrug, Datenfälschung, Mobbing und Amtsmissbrauch überprüft. Nun befasst sich die Staatsanwaltschaft mit dem mehr als 600 Seiten umfassenden Bericht. „Wir lassen es nicht zu, dass ein Prozent unsere höchste Leistungsbereitschaft insgesamt in den Schmutz zieht. Wichtig ist uns schon eine präventive Ebene“, sagt sie.

Privat lieben sie und ihr Mann die kulturelle Dichte und Vielfalt in der Stadt. Sie gehen auch gern wandern. „Zudem gibt es im Umfeld viel zu entdecken, aktuell sind wir gern in der Lausitz unterwegs.“

Text und Fotos: Bettina Klemm