Ein Blick über den Waferrand in die Zukunft

Presseclub besucht Globalfoundries Fab1 Dresden

Jens Drews

Jens Drews

 

Ziemlich futuristisch wirkt der Riesenkomplex der Chipproduktion Globalfoundries, vormals AMD, zwischen der waldreichen Moritzburger Teichlandschaft und der Landeshauptstadt Dresden in direkter Nachbarschaft zur idyllischen Ortschaft Boxdorf. Noch futuristischer geht es in den „heiligen Hallen“ und Reinräumen der vollautomatisierten Produktion zu.

Auf Einladung von Jens Drews, Director of Communications and Governement Relations, und Gerd Teepe, Director Marketing for Europe, besuchte der Presseclub Dresden die „Silicon Saxony“-Fabrik und warf mit Erstaunen einen Blick über den Tellerrand der rasant wachsenden Mikroelektronik-Branche in die Zukunft, die die Welt bedeutet. Wie von Geisterhand bewegt, gleiten an den Decken auf insgesamt 22 Kilometer Länge der mit Weichen und Umwegen ausgestatteten Schienenstränge eine Unzahl elektronisch „denkender“ Transportkästen entlang, zum Hin-und-Her-Transport der halbfertigen oder perfekten Waferscheiben, ein Transportwagen zum Preis eines Mittelklassewagens. Etwa tausend nano-fein aufeinander abgestimmte Arbeitsgänge sind notwendig für einen tellergoßen Wafer, 650.000 werden pro Jahr bei Globalfoundries produziert und fliegen in alle Welt. An der Regulierung und Überwachung der Arbeitsabläufe für Beschichtung, Belichtung oder Ätzen der Siliziumscheiben arbeiten rund 3.500 Mitarbeiter, davon die meisten in steriler und staubfreier umständlich anzulegender Reinraum-Kleidung. Das Anziehen ist ein streng zu befolgendes Ritual. Zwei Stunden vor Arbeitsbeginn beispielsweise ist Rauchen untersagt, damit keine Russpartikel in den Reinraum gelangen.

Die Kardinalfrage des Abends lautete: „Sind wir gerüstet für die dritte große Halbleiter-Welle, die unsere Lebens- und Arbeitswelt nochmals revolutionieren wird?“ veranschaulicht durch das Bild dreier aufeinanderfolgender an Größe zunehmender Tsunami-Wellen, der PC-Welle bis 1996, Mobile-Welle bis 2010 und IoT-Welle bis 2020. Diese bedeute jedoch noch nicht das Ende der unabsehbaren Entwicklung erklärte Jens Drews: „Die Konzentration der Halbleiterindustrie schreitet unaufhaltsam voran – Globalfoundries ist bereits im Endspiel.“ Die Anzahl der Firmen mit eigener Produktion der neuesten Technologie kulminiert in drei weiteren Konzernen: TSMC, Samsung und Intel. Die „kreative Zerstörung“ überkommener Wirtschaftsmodelle sei notwendig, um neue Entwicklungen zu gewährleisten und wird heute durch die Mikroelektronik ermöglicht, beschleunigt und von vielen Unternehmen wie BBC, HRS, Uber, Ikea und Amazon verfolgt. Beispiel: Facebook, der Welt größter Mediakonzern, kreiert selbst keine Inhalte.

Dieses Credo der Wirtschaftsbranche wurde 1942 vom österreichisch-amerikanischen Ökonomiewissenschaftler Alois Schumpeter (1883-1950) entwickelt. „Die Digitale Disruption ist längst geschehen“, verkündete unlängst die bemerkenswerte IBM-Managerin Sandy Carter und erhielt für ihr zukunftsweisendes Buch „The new Language of Business SOA & Web“ die Platin-Medaille MarCom Award. Dabei wachse ständig der Druck „von oben“ durch die amerikanische Konkurrenz und der Druck „von unten“ durch asiatische Mitbewerber, vornehmlich in China und Taiwan, erläutert Gerd Teepe. So entstehe für Europa und Deutschland eine Sandwich-Klammer. Die Welt warte nicht auf Deutschland und Europa. Taiwan, Südkorea, Singapur haben USA und Japan den Rang als Chip-Produzenten als Resultat nationaler Strategien abgelaufen. Der US-Bundesstaat New York setze auf Mikroelektronik als Motor für die Re-Industrialisierung, ähnlich in Russland, Indien, Brasilien.

In den vergangenen 25 Jahren wurde in Europa zu wenig (8-3 Prozent) in die Halbleiter-Branche investiert, sanken in Japan die Investitionen von 51 auf erschreckende 7 Prozent, stiegen in Asia-Pacific die Investitionen von 10 auf 53 Prozent. Und die Prognose für die nächsten Jahre sehe nicht viel besser aus.

Der sächsische Ministerpräsident Georg Milbrath war der erste, der 2007 das Dilemma benannte, als New York eine Milliarde Dollar zur Ansiedlung von AMD bot. Damals konnte Sachsen nicht mithalten. Heute stellt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie von 2017 bis 2020 eine Milliarde Euro bereit zur Investitionsförderung. Diese solle in den Folgejahren Investitionen von bis zu 3,3 Milliarden Euro auslösen. Forschung und Entwicklung müssen Verbundprojekte voranbringen, Wertschöpfung absichern, Fortbildungsmaßnahmen intensivieren, erfolgreiche Gründungen auszeichnen.

Das Unternehmen Globalfoundries, gegründet im März 2009 durch den Kauf der Dresdner Halbleiterfabrik AMD, mit Sitz in Dresden, Singapur und New York ist zu hundert Prozent im Besitz der Mubadala Developement Co. in Abu Dhabi mit weltweit 18.000 Mitarbeitern, davon ca. 3.500 in Dresden, etwa 250 Kunden in aller Welt, investierte seit 2009 etwa 20 Milliarden US-Dollar.

„Zur Produktionszentrale von Globalfoundries Dresden gehört weltweit ein ganzer Ring von Zulieferern von Materialien und Vorprodukten“, erläutert Gerd Teepe und Jens Drews ergänzt: „Die Herstellung von Wafern mit tausend Arbeitsgängen ist die komplexeste Produktionsweise aller Industrieprodukte.“

 

Text und Fotos: Roland Fröhlich