Wie lange gibt es die gute alte Zeitung noch?

Online-Gespräch mit dem DDV-Geschäftsführer Carsten Dietmann

Am 31. Januar stellte sich der neugewählte Vorstandsvorsitzende des Presseclub Dresden den Fragen der Mitglieder.

Für viele von uns gehört der tägliche Blick in die Zeitung zum morgendlichen Ritual. Bei aller Digitalisierung mögen wir das gedruckte Blatt. Doch wie lange ist das noch möglich? Diese Frage stellte der Presseclub seinem neuen Vorsitzenden Carsten Dietmann.

Die 1946 gegründete Sächsische Zeitung hat wie alle Lokalzeitungen in den zurückliegenden 20 Jahren die Auflagenzahlen etwa halbiert. Seit langer Zeit setzen die Redaktionen auf Online-Nutzer. Die Zahlen steigen, aber nur sehr langsam. Noch finanzieren die Abonnenten der Papierausgabe die Zeitung. Doch der Altersdurchschnitt ist hoch, junge Abonnenten kommen kaum nach.

Die Kosten besonders für Mitarbeiter und Papier sind hingegen stark gestiegen. Der Anteil der Werbung an der Finanzierung der Zeitung ist drastisch gesunken. Frühere Anzeigenseiten sind fast komplett ins Internet gewandert.

Carsten Dietmann, studierter Betriebswirtschaftler, setzte statt aufs „Gesundschrumpfen“ auf den Umbau des Zeitungsverlages zu einem Medienhaus. 2015 wurde aus dem Dresdner Druck- und Verlagshaus die DDV Mediengruppe. Sie hat fünf Säulen, so Dietmann: Medien mit den Hauptprodukten Sächsische Zeitung und Dresdner Morgenpost, mit Büchern und Magazinen. Zur Sparte Logistik gehört PostModern.  Um Kommunikation und Vermarktung kümmern sich beispielsweise die Agentur „Oberüber & Karger“ und der Messerveranstalter ORTEC. SZ-Reisen, Ticketservice und der Chauffeurservice 8×8 gehören zum Bereich Freizeit und Tourismus. Verlagsdienstleistungen bilden die fünfte Säule.  Dazu zählt auch die Zusammenarbeit mit den Dresdner Neuesten Nachrichten, die gemeinsam mit der SZ gedruckt und ausgetragen wird, und deren Verlagsgeschäft der DDV abwickelt. Das Medienunternehmen hat sich zur Refinanzierung flankierende Tätigkeiten zur Refinanzierung gesucht und nutzt so zugleich Synergien. Das ist wirtschaftlich sinnvoll und macht den Zeitungsverlag zukunftsfähiger, fasst Dietmann zusammen.

Bereits um die Jahrtausendwende wurden Lokalredaktionen zu wirtschaftlichen Einheiten. Das habe die Verantwortung für den einzelnen Bereich gestärkt und sich ausgezahlt. Allerdings war es damals schwer, die Mitarbeiter davon zu überzeugen, sie hatten gegen diese Ausgliederung gestreikt. Das habe wehgetan, gibt Dietmann zu.

2016 hatte die SZ begonnen, ihre Mantelredaktion komplett umzubauen. Seither arbeitet die Redaktion mit einem Editor-/Reporter-Modell. Seither gilt, online first.  Das bedeutet, dass die Journalistinnen und Journalisten zunächst die Online-Variante schreiben. Dietmann, Jahrgang 1962, würde sich freuen, wenn er es noch erlebt, dass es mehr Digital- als Printabos gibt. Derzeit hat die SZ etwa 20.000 Digital-Abos. Dem gegenüber stehen ungefähr 170.000 Print-Abos. Glücklicherweise werden die kostenlosen Angebote im Netz immer weniger und damit steigt die Bereitschaft der Bevölkerung, für ein Digital-Abo zu bezahlen, sagt Dietmann. Derzeit werden Erlöse aus dem Print fürs Digitale genutzt.  Die Doppelstrukturen müsse es noch lange geben.

Wenn allerdings die Abo-Zahlen weiter sinken und die Kosten, insbesondere für die Zustellung steigen, kann sich Dietmann vorstellen, dass die Print-Ausgabe mit PostModern zugestellt wird. Das heißt dann Abschied von der Zeitung am Frühstückstisch. Vielleicht liegt dann dort das Tablet mit der Online-Zeitung?

Sehr erfolgreich hat sich der Online-Auftritt TAG24 entwickelt, den es bundesweit und künftig sogar in den USA gibt. Er ist rein werbefinanziert.

Im vergangenen Jahr haben RTL und Gruner + Jahr fusioniert. Die Sächsische Zeitung und die Dresdner Morgenpost blieben im Bertelsmann-Konzern. Nach den Konsequenzen fragte kurz nach dem Clubabend Peter Stawowy in einem Interview für den FLURFUNK. „Es gibt weder Verkaufsbemühungen noch eine endgültige Entscheidung“, sagte Dietmann dazu.

Text: Bettina Klemm