»Ich hätte gern fröhlich gehen wollen«

v.l.n.r.: Sachsens Justizministerin Katja Meier, Arnsdorfs ehemalige Bürgermeisterin Martina Angermann und Tobias Wolf

Bedroht, beschimpft und eingeschüchtert – unter diesem Thema lud der Presseclub Dresden Sachsens Justizministerin Katja Meier (44, Grüne) zur Diskussion mit der Arnsdorfer Ex-Bürgermeisterin Martina Angermann (66, SPD). Letztere musste ihr Amt 2019 nach einer massiven Mobbing-Attacke aufgeben. Nicht das einzige Stadtoberhaupt, dass mit Anfeindungen zu kämpfen hatte.

„Ich hätte gern fröhlich gehen wollen“, sagt Angermann über ihren Abgang 2019 und schildert vor dem Presseclub, wie stark ihr Herz an der Kommunalpolitik hing und wie schnell sich das Klima in der Kleinstadt plötzlich änderte: „Es ist mir nicht schwergefallen, Fehler zuzugeben“, sagt sie. „Ich habe immer gedacht, es gibt nichts anderes als Bürgermeisterin zu sein.“ Dann kam das Jahr 2016: Eine selbsternannte Bürgerwehr zerrte einen Iraker (†21) aus einem Supermarkt, fesselt ihn an einen Baum. Unter den vier Männern: Eine Gemeinderat der CDU. Ein Jahr später stellt das Gericht den Prozess gegen das Quartett ein, Angermann kritisierte die Selbstjustiz und wurde nun selbst zur Zielscheibe.

„Wenn man mittags beim Fleischer ist“, so Martina Angermann. „Und die, mit denen man immer gegessen hat, sich an einen anderen Tisch setzen, da geht einem schon an die Nieren.“ Im Internet häuften sich die Hasskommentare, aus dem Gemeinderat gab es Dienstaufsichtsbeschwerden. „Im Jahr 2019 machte ich noch den Neujahrssempfang. Keiner hat gemerkt, dass ich vollständig am Ende war“, sagt die Ex-Bürgermeisterin. „Als die Woche dann zuende war, bin ich zusammengebrochen.“ Noch Monate später konnte sie nicht nach Arnsdorf fahren, schildert Atemnot beim Überqueren der Ortsgrenze. „Der Staat hat das auf die leichte Schulter genommen“, sagt sie. „Der damalige Ministerpräsident Tillich meinte, das läuft sich tot.“

Dass dem nicht so ist, zeigen aktuelle Statistiken:  302 Amts-, 77 Mandatsträger und 67 Partei-Einrichtungen wurden in Sachsen 2023 Opfer politisch motivierter Kriminalität. So viel wie schon seit Jahren nicht mehr. Zahlen, die mittlerweile auch in der Landespolitik für ein Umdenken sorgen: „Das ist keine Erscheinung der letzten Monate“, sagt Justizministerin Katja Meier im Presseclub Dresden. „Aber es ist intensiver geworden. Es geht in den allerprivatesten Bereich. Es trifft nicht nur die Bürgermeister, sondern auch deren Familien.“ Hinter den Attacken stecke ein System: „Wo sich viele persönlich kennen, da geht es auch ein bisschen zünftiger zu“, so die Ministerin. „Aber ich glaube, es ist eine Strategie, in den Kommunen Fuß zu fassen und ein Stück auch in der Verwaltung.“ Die Anfeindungen ansich sieht sie als ein gesamtdeutsches Problem: „Was aber spezifisch sächsisch ist, ist die Heftigkeit, mit der sich passieren“, so Meier.

Reagiert habe man mit drei Staatsanwälten, die sich genau mit diesem Problem befassen, außerdem strebt die Justizministerin zusammen mit Innenminister Armin Schuster (62, CDU) eine Änderung im Strafgesetzbuch auf Bundesebene an. Demnach soll „politisches Stalking“ ein Straftatbestand mit Geld- bis Bewährungsstrafe bis zu zwei Jahren werden.

Ebenfalls über Anfeindungen berichtet die Lommatzscher Bürgermeisterin und Sachsens FDP-Chefin Anita Maaß (47): „Das ging bereits 2006 mit den Abwasserbeiträgen los“, sagt sie. „Jetzt ist es das selbe mit der Windkraft. Ich möchte davor warnen, dass als rein rechtes Problem zu sehen.“ Dass die rechte Szene jedoch aktuelle Problemlagen mit Kampagnen aufspringt, sieht sie ähnlich. 

Text von Eric Hofmann