„Man kann nichts aufmachen, was man nicht einfangen kann“, sagt Johannes. „Aber es ist immer einen Versuch wert“, ergänzt Jonathan.
Am 19. Mai waren Jonathan Schörnig und Johannes Filous im Presseclub Dresden zu Gast. Als Regisseur und Kameramann vom Dokumentarfilm „Einhundertvier“ sind die beiden Sachsen frischgebackende Grimmepreisträger.
Denn ihr Film schaut hin. In dem Augenblick, als das Rettungsschiff Eleonore im Mittelmeer ein Schlauchboot mit Menschen sichtet, entsendet es ein kleines Rettungsboot – und multiple Kameraperspektiven werden aktiv. Zwei davon befinden sich an Helmen von Besatzungsmitgliedern, zwei sind fest installiert, zwei flexibel. Mithilfe eines sechsteiligen Splitscreens zeigt der Dokumentarfilm eine Seenotrettung in Echtzeit. Und hat dafür in diesem Jahr den Grimmepreis verliehen bekommen.
„Jonathan Schörnigs Film enthält sich jedes Kommentars“, schrieb die Grimme-Jury zu ihrer Begründung, „in den ersten 85 der 90 Minuten entdeckt stattdessen das Publikum in Echtzeit selbst, was bei der späteren Berichterstattung oft übergangen wird: wie gefährlich jede einzelne dieser Rettungsaktionen ist. […] wie verzweifelt jemand sein muss, um eine solche lebensgefährliche Flucht auf sich zu nehmen – und wie ignorant und unmenschlich Europas Staaten sind, den Menschen in Todesgefahr die Hilfe verweigern.“
Beim Clubabend im 1900 blickten wir darauf, wie ein Dokumentarfilm und die davor zunächst produzierten Beiträge für Funk und Fernsehen auf hoher See und engem Raum entstehen. Wie nah dran eigentlich zu nah dran ist. Und was man mit Journalismus überhaupt noch erreichen kann. Denn auch im letzten Jahr starben oder verschwanden 2600 Menschen bei dem Versuch, die tödlichste Fluchtroute der Welt zu durchqueren.
„Die Frage kann ich eigentlich nur zurückgeben“, sagte Jonathan nach längerer Bedenkzeit. „Aber es ist immer einen Versuch wert.“


Text und Fotos: Erik Töpfer